
Nachdem gestern bekannt wurde, dass der Modehandel nur zum Teil von den ersten bundesweiten Lockerungsschritten profitieren wird, ist die Branche weitgehend enttäuscht. Der März ist aufgrund des Saisonstarts ein sehr wichtiger Umsatzmonat. Da auch die versprochenen Hilfen bisher nicht oder nur wenig ausgezahlt wurden, werden viele Insolvenzen befürchtet.
„Wenn Mode- und Warenhäuser sowie Schuh- und Lederwarengeschäfte nicht zeitnah noch im März wieder öffnen dürfen, werden tausende Läden für immer geschlossen bleiben“, warnten die Handelsverbände Textil, Schuhe und Lederwaren am Montag dieser Woche in einer Pressemitteilung. Denn es wäre nach Frühjahr/Sommer 2020 und Herbst/Winter 2020/21 die dritte Saison in Folge, in der die Unternehmen horrende Verluste einfahren würden. „Das werden viele Mode- und Schuhhäuser, und zwar aller Umsatzgrößen, nicht überleben“, prognostiziert Prof. Dr. Siegfried Jacobs, Geschäftsführer der Handelsverbände BTE und BDSE.
Die Verlängerung des Lockdowns bis zum 28. März verschärft das aktuelle Warenproblem noch einmal dramatisch. Schon jetzt sitzt der Handel auf Hunderten Millionen unverkaufter Hosen, Kleider, Schuhe und Accessoires aus der abgelaufenen Wintersaison. Jacobs: „Wir schätzen, dass rund 40 Prozent der Winterware noch nicht verkauft werden konnte“. Hinzu kommen jetzt noch weitere hunderte Millionen Teile neuer Frühjahrsware, die bereits im Sommer 2020 bestellt wurden. „Nachdem Bundesgesundheitsminister Spahn im September noch angekündigt hatte, dass es zu keiner weiteren Schließung von Läden kommen wird, hat sich der Handel darauf bei seinem Wareneinkauf eingestellt.“
Tatsächlich profitieren viele Händler nicht oder kaum von den am Mittwoch beschlossenen Lockerungen. Unternehmen in den wenigen Kreisen und Städten mit Inzidenzen unter 50 können zwar zufrieden sein, alle Händler in Gebieten mit einer Inzidenz von über 100 sind aber weiterhin Opfer einer verfehlten und mutlosen Corona-Politik. Und das bei einer Inzidenz zwischen 50 und 100 erlaubte Termin-Shopping ist längst nicht für alle Geschäfte hilfreich. BTE-Präsident Steffen Jost: „Für kleinere Geschäfte mit hoher Beratungsorientierung mag das ein sinnvoller Zwischenschritt sein, bei frequenzstarken Häusern liegen die Kosten des Termin-Shoppings vielfach aber über den zu erwartenden Umsätzen.“
Die Verbände BTE, BDSE und BLE fordern daher weiterhin, dass der Fashionhandel so bald wie möglich flächendeckend öffnen darf – selbstverständlich unter Beachtung von strengen Abstands- und Hygieneregeln. Schließlich gäbe es zahlreiche wissenschaftliche Belege dafür, dass der Einkauf im Textil-, Schuh- und Lederwarenhandel ohne Gefahr für die Gesundheit möglich ist.
Um die Politik davon zu überzeugen, dass das Öffnen der Geschäfte nicht zur Dynamisierung des Infektionsgeschehens beiträgt, hatte die branchenübergreifende Handelsinitiative „Das Leben gehört ins Zentrum“, zu der sich 35 mittlere und große Unternehmen (u.a. Breuninger, Engelhorn, Garhammer, L+T, Zinser) sowie der HDE zusammengeschlossen haben, Wirtschaftsminister Peter Altmaier Anfang der Woche folgenden 7-Punkte-Hygieneplan vorgelegt:
1. Zugang regulieren
Limitierung der Kundenanzahl pro Quadratmeter; Zugangskontrollen und ggf. Einlassbeschränkung bei Kapazitätsüberschreitung
2. Reinigen & Desinfizieren
Bereitstellung von Desinfektionsmittel; regelmäßige Reinigung von Kontaktflächen; Montage von Spuckschutz im Kassenbereich; regelmäßiges Lüften
3. Abstand einhalten
Wahrung des Mindestabstands (gesunde Distanzierung); Kundenleitsystem im Eingangs- und Kassenbereich; Abstandsmarkierungen in Wartebereichen
4. Übertragungswege eindämmen
Verpflichtung zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes; Bereitstellung von Masken & Einweghandschuhen für Mitarbeiter; Bereitstellen von Masken für Kunden; kontaktloses Zahlen
5. Mitarbeiter organisieren
Erfassung von Neuinfektionen; systematische Kontaktnachverfolgung und Quarantäne bei Verdachtsfällen; keine gemeinsamen Pausen
6. Bewusstsein stärken
Regelmäßige Schulung aller Filial-Mitarbeiter; Kommunikation von Hygienemaßnahmen in der Filiale; aktive Kommunikation von Hygienemaßnahmen an Kunden
7. Umsetzung sicherstellen
Ausüben des Hausrechts bei Verstößen; Checklisten in den Geschäften; regelmäßige Kontrolle & Überprüfung
In vielen Häusern der Branche wurden diese Punkte bereits im Herbst 2020 erfolgreich umgesetzt.