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Warenbewertung: Neue BTE-Publikation liefert Argumentationshilfen

Bei jeder Betriebsprüfung gibt es Diskussionen über die Teilwert-Abschreibungen, weil die Finanzbeamten zu wenig Branchenkenntnis haben und die Kriterien, die zum Wertverlust führen, nicht einschätzen können. Eine neue BTE-Publikation hat das Thema umfassend aufbereitet. Sie liefert Händlern auch in Bezug auf die Überbrückungshilfe III Argumentationshilfen und Branchenfremden wertvolle Erkenntnisse.

 

Der mb sprach mit Autor Peter Anklam, selbstständiger Mode- und Schuhhändler sowie Dozent an der LDT Akademie Fashion Management in Nagold. Co-Autor ist Ulf Heitmann, ebenfalls Dozent an der LDT.

 

mb: Herr Anklam, ist es sehr übertrieben zu behaupten, auf eine solche umfassende Publikation zum Thema Warenbewertung hat die Branche lange gewartet?

 

Peter Anklam: Nein, das kann man durchaus sagen, denn es gibt eine große wissenschaftliche Lücke zu dem Thema. Es gibt m.E. kein vergleichbares Fachbuch, speziell bezogen auf den Einzelhandel in unseren Branchen. In der sogenannten Bibel der Steuerrechtsexperten von Tipke und Lang mit über 1.500 Seiten findet sich kumuliert gerade mal auf knapp drei Seiten etwas Fachbezogenes zum Thema.

 

mb: Welches ist die grundsätzliche Problematik bei Warenbewertung und Teilwertabschreibung und welche Rolle spielt das Thema bei der Überbrückungshilfe III?

 

Peter Anklam: Die grundsätzliche Problematik besteht darin, dass die Finanzbeamten in der Regel zu wenig Branchenkenntnis haben und nicht so gut nachvollziehen können, dass der Wertverlust des Warenbestandes von sehr vielen verschiedenen Faktoren abhängt, die sich von Saison zu Saison ändern und immer wieder neu gewichtet werden müssen. Dies führt dazu, dass Betriebsprüfungen häufig in verhandlungsähnlichen Situationen enden und erst nach langen Diskussionen ein Kompromiss gefunden wird. Finanzbehörden arbeiten zur Vereinfachung mit Zahlenkorridoren. Dies ist aber im Einzelfall strittig und sollte von Händlern hinterfragt werden. Sie beschäftigen sich jeden Tag mit Ware, Einkauf, Verkauf, Abschriften, Kundenwünschen, Modetrends, Messen, Fachzeitschriften und können Prüfer fachlich unter den Tisch argumentieren.

 

Der Ansatz der Saisonware für die Überbrückungshilfe III korreliert mit dem Ansatz der TWA´s für die Bestände Ende 2020 sowie Ende 2021. Wer zu viel eingekauft hatte für den (stark gefallenen) Umsatz in den Monaten des Lockdowns und deshalb in der Folgesaison hohe Preisabschriften tätigt, der setzt natürlich auch deutlich höhere TWA´s für diese Ware an und damit auch automatisch höhere Abschreibungen, die dann als Fixkosten für die Überbrückungshilfe III angesetzt werden können.

 

Unterstellt man, dass bislang ca. 30 Prozent wertmäßig reduziert werden in der Sale-Phase, so sind es in den schwierigen Corona-Zeiten eher 50 Prozent im Durchschnitt. Das wäre dann ein Faktor von 50/30 = 1,67, um den man dann die TWA´s anheben müsste wegen des deutlich höheren Wertverlustes.

 

mb: Und die neue Publikation bringt da sehr viel Licht ins Dunkel?

 

Peter Anklam: Ja, denn es herrscht schon eine große Grauzone, insbesondere bei Betriebsprüfungen. Und auch viel Unwissenheit und Unsicherheit bzgl. der Ü3. Bei mir stand das Telefon kaum noch still, weil den Steuerberatern meiner Beratungskunden das Know-how bezüglich des Ansatzes der Saisonware für die Überbrückungshilfe III fehlte.

 

mb: Welchen konkreten Nutzwert hat die Publikation für die Handelsunternehmen? Welche Tools geben Sie den Lesern an die Hand?

 

Peter Anklam: Wir zeigen anhand konkreter Beispiele und in leicht verständlicher Form auf, wie Abschreibungen je nach Zeitpunkt, Warenart, Standort, Marke und anderen relevanten Kriterien optimalerweise angesetzt werden sollten. Außerdem liefern wir überzeugende Argumentationshilfen, mit denen sich die angesetzten TWA’s gegenüber den Betriebsprüfern durchsetzen lassen. Wir zeigen verschiedene praktikable Methoden und Modelle zur Warenbewertung auf und geben dabei noch praktische Tipps zur Inventur und zur Warenwirtschaft. Außerdem machen wir deutlich, welche Auswirkungen falsch bzw. zu hoch angesetzte TWA‘s auf Dauer auf den Gewinn und die Steuerlast haben. Dies kann z.B. zu einem Bumerangeffekt führen.

 

mb: Und Sie hoffen, dass die Lektüre auch von Betriebsprüfern und Steuerberatern genutzt wird, damit es zukünftig weniger Diskussionen und Konflikte gibt?

 

Peter Anklam: Das ist jedenfalls ein erklärtes Ziel. Die einschlägigen Gerichtsurteile des BFH aus 1983 sind doch schon sehr in die Jahre gekommen und werden der heutigen Zeit nicht immer gerecht. Damals gab es noch regulierte WSV und SSV, mittlerweile wird das ganze Jahr reduziert – es ist fast immer Sale. Auch der Order- und Lieferrhythmus hat sich stark verändert: Hochwertige Marken liefern etwa schon im November Hochsommer-Tops aus.

 

Da nach meiner Erfahrung die Betriebsprüfer sehr oft mit viel zu niedrigen Sätzen ins Rennen gehen, hilft die Fachpublikation dabei, ggf. doch die eigenen, angesetzten höheren Sätze durchzubekommen. Bspw. hatte ein von mir betreuter Händler sein Warenlager mit 25 Prozent TWA´s angesetzt, der Prüfer hielt hingegen 12 Prozent für angemessen. Mithilfe von Vergleichswerten und der detaillierten Erklärung der verschiedenen Modegrade konnten wir uns auf 22,5 Prozent einigen und die Steuerforderung wurde nach unten korrigiert.

Hinweis: Der Titel aus der Fachreihe BTE-Praxiswissen Textil | Schuhe | Lederwaren kann im BTE-Webshop bestellt werden unter www.bte.de. Dort sind auch das Inhaltsverzeichnis und Leseproben einsehbar. Oder per E-Mail an itebestellungen@bte.de. Preis: 45,79 Euro zzgl. Versand für die Print-Version bzw. 42,06 Euro für die PDF-Variante; jeweils zzgl. 7 Prozent MwSt. EHV-Mitglieder erhalten unter Angabe ihrer EHV-Mitgliedsnummer einen Rabatt in Höhe von 20 Prozent.