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E-Commerce: Sieben Tipps für stationäre Modehändler

Der Verkauf über Online-Plattformen ist für die wenigsten stationären Händler wirklich profitabel. Trotzdem sollte die Online-Sichtbarkeit der Sortimente vorangetrieben werden, da sich die Kundinnen und Kunden vor ihrem Einkauf im Web informieren. Modehändler Holger Wellner weiß, wie ein ressourcensparender Einstieg in den E-Commerce gelingen kann.

 

Das Hamelner Modehaus Wellner hat bereits vor 15 Jahren den Einstieg in den Online-Vertrieb als zusätzlichen Verkaufskanal gewagt. Zusammen mit anderen Unternehmern gründete Holger Wellner die Plattform Modehaus.de, über die aktuell 120 Modehändler mit 550 Standorten ihr Sortiment auch online anbieten.

 

Dies sind seine Tipps für den erfolgreichen Einstieg ins Online-Business, dessen Ziel auch darin liegen kann, die Frequenz am stationären POS zu beleben.

Tipp 1: Struktur folgt Strategie 

- Digitalstrategie in Phasen planen

- Maßnahmen definieren für die eigene E-Commerce-Ziele

- Omnichannel besser als Multichannel

- Passende Planungsstrukturen finden für Einkaufs-, Personaleinsatz-, Ertrags- und Liquiditätsplanung

 

Beim Einstieg in den E-Commerce sollte auf vorhandene Ressourcen zurückgegriffen werden, empfiehlt Holger Wellner: „Einen eigenen Geschäftsbereich mit z.B. separatem Einkäuferteam zu gründen, ist viel zu aufwändig und zu teuer.“

  

Tipp 2: Ressourcenschonend arbeiten 

- Problem beim Start: Fachkräftemangel und fehlendes Know-how

- Ausbildung Kauffrau/Kaufmann für E-Commerce nutzen

- Logistikprozesse (Picken, Verpacken, Retoure) optimieren

- Produktivitätsreserven nutzen

- Marketing: Offline-Marketing digital verlängern

- Synergien im VM nutzen

- Mitarbeiter am POS einbinden

  

Das E-Commerce Know-how im Unternehmen sollte nach und nach aufgebaut werden. Dabei gelte es, zunächst im eigenen Team nach Talenten für das Online-Business zu suchen. Leerzeiten von Mitarbeitern können für Logistikprozesse genutzt werden. Ziel sollte auch sein, Synergien zu finden. So können z.B. Fotos schön dekorierter Outfits auf der Fläche oder im Schaufenster auch für den Online-Auftritt verwendet werden.

  

Tipp 3: Marktplätze nutzen 

- „Trainingslager" für Prozesse und Mitarbeiter

- Vermarktungs- und Renditekanal

- Marktplatz-Mix optimieren

- filigrane Sortimentssteuerung kanaldifferenziert

- Kostenstruktur für jeden einzelnen Verkaufskanal beachten (Umsatz vs Ertrag)

  

Die regelmäßigen Bestellungen, die über Marktplätze generiert werden, sollten genutzt werden, um die internen Prozesse zu optimieren. Zudem gelte es, die Kostenstrukturen für jeden Kanal zu beachten. „So kann es sinnvoll sein, über bestimmte Plattformen nur Artikel zu verkaufen, deren Preis über einem zuvor definierten Mindestbetrag liegt. Dies muss im Vorfeld sorgfältig analysiert werden“, rät Wellner.

 

Tipp 4: Eigener Web-Shop mit regionalem Fokus  

- Zielgruppe: Fokus auf vorhandene Stammkunden  

- Marketing: Fokus auf den eigenen Standort und das stationäre Einzugsgebiet  

- Zielsetzung des eigenen Web-Shop: Stärkung des POS und der stationären Umsätze

  

Nach Ansicht Wellners sollten bei einem eigenen Online-Shop Inspiration und Bindung der vorhandenen Kunden oder eventueller Neukunden im Einzugsgebiet im Vordergrund stehen, um Frequenz und Umsatz am stationären POS zu pushen.

  

Tipp 5: Digitale Zwillinge der stationären Stammkunden bilden  

- vorhandene Kundendaten zu digitalen Profilen wandeln  

- Kundenprofile schärfen (Problem: Kundenkarte als Familienkarte mit unscharfen Kundentransaktionen)  

- passgenaue Kundenansprache über digitale Kanäle (spitzer und kundenindividueller, Selektion nach Stilgruppen)

    

Um Kunden individuell ansprechen zu können, muss deren Kaufverhalten so detailliert wie möglich erfasst werden. In diesem Zusammenhang seien Kundenkarten, mit denen für die ganze Familie eingekauft wird, problematisch, da die Einkäufe nicht trennscharf einem Kundenprofil zugeordnet werden können.

     

Tipp 6: Steigerung der Digitalisierungsquote      

- Ziel: 100 Prozent des Sortiments ist online sichtbar (kurzfristig 70 bis 80 Prozent) 

- Datenquellen kombinieren:  

o Fashioncloud 

o Fotos von der Industrie  

o eigene Fotos  

o im Netzwerk aufgenommene Fotos  

o externe Fotostudios

- Phase 1: Quantität der Fotos steigern

- Phase 2: Qualität der Fotos steigern

   

Nach Ansicht von Holger Wellner sollte möglichst schnell angestrebt werden, große Teile des Sortiments online darzustellen. „Viele Kunden informieren sich inzwischen vor ihrem Einkauf im Web. Wenn dort nur ein Bruchteil des Sortiments zu sehen ist, besteht die Gefahr, dass sie von einem Besuch im Geschäft absehen, wenn das gewünschte Outfit nicht zu sehen ist. So können durch den Online-Shop negative Wechselwirkungen mit dem stationären Business entstehen. Gerade in der ersten Phase sollte es darum gehen, von jedem Artikel mindestens ein Foto zu haben.

 

Tipp 7: Content & Inspiration 

- Mix aus eigenem Content und Hersteller-Content 

- komplette Outfits zeigen  

- Personalisierung durch Mitarbeiter und Kunden  

- Regionalisierung  

- Fashionkompetenz über kuratierte Sortimente und Segmentierung 

- Landingpages 

 

Individuelle Beratung, hohe Modekompetenz, starke Kundenbindung, persönliche Kundennähe - diese Stärken des mittelständischen Modehandels sollten durch die Auswahl und die Kreation des Contents für die Social-Media-Kanäle und für den Online-Shop betont werden.