Sind Schuhkartons Verkaufs- oder Transportverpackungen? Um diese Frage und die damit verbundenen Müllgebühren schwelt in der Schuhbranche seit Jahren ein Streit. Ein aktueller Gesetzesentwurf soll Klarheit bringen, wird aber der Komplexität des Themas nicht gerecht. Branchenverbände fordern eine Anpassung an reale Gegebenheiten.
Seit dem Inkrafttreten des deutschen Verpackungsgesetz im Jahr 2019 werden Schuhkartons als Verkaufsverpackungen angesehen, weil sie nach dem Verständnis der zuständigen Zentralen Stelle Verpackungsregister (ZSVR) typischerweise haushaltsnah über den Endverbraucher entsorgt werden. Aus diesem Grund ist der Schuhkarton systembeteiligungspflichtig (Duales System), eine gewerbliche Entsorgung beim Händler ist demnach nicht vorgesehen. Dies wurde Ende November 2025 durch ein Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen gegen den Schuhfilialisten Deichmann bestätigt. Deichmann hatte ohne Erfolg gegen ZSVR geklagt, da eigenen Untersuchungen zufolge nur 40 Prozent der verkauften Schuhkartons bei den Kunden landen und dann dort über den Haushaltsmüll entsorgt werden. Diese interne Deichmann-Analyse wurde allerdings nicht berücksichtigt. Als maßgeblich für die richterliche Entscheidung galt ein Gutachten der Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung (GVM), wonach bei Betrachtung des Gesamtmarktes 62 Prozent aller Schuhkäufer (Online- und Offlinekauf) den Schuhkarton zuhause entsorgen.
Der BTE Handelsverband Textil Schuhe Lederwaren und der Industrieverband HDS/L bezweifeln die Rechtmäßigkeit dieses Gesamtmarktansatzes und kritisieren diese einseitige Betrachtung, da sie die komplexen Vertriebsstrukturen nicht widerspiegeln und nicht berücksichtigen, dass Schuhkartons je nach Vertriebsweg an sehr unterschiedlichen Orten dem Wertstoffkreislauf zugeführt werden.
Da der aktuelle Referentenentwurf zur Anpassung des deutschen Verpackungsrechts an die EU-Verpackungsverordnung (EU) 2024/40 vorsieht, diesen wenig hilfreichen und undifferenzierten ‚Gesamtmarktansatz‘ EU-gesetzlich festzuschreiben, fordern BTE und HDS/L eine Anpassung des Entwurfs an die realen Strukturen in der Schuh- und Lederwarenbranche.
Denn je nach Vertriebsstruktur unterscheiden sich der Anfall der Verpackungen im Fachhandel sowie bei den Endkunden erheblich. So fallen z.B. Schuhkartons sowohl haushaltsnah als auch gewerblich an. In beiden Fällen muss eine Finanzierung der Entsorgung sichergestellt werden. Dies sei mit einer Gesamtmarktbetrachtung nicht gewährleistet, so der BTE und HDS/L. Idealerweise sollte eine anteilige Einstufung von Verpackungen durch die Unternehmen möglich sein, da diese dokumentieren könnten, wo ihre Verpackungen konkret anfallen. Andernfalls käme es zu sachlich nicht gerechtfertigten Doppelbelastungen und Mehrkosten beim stationären Fachhandel.
Darüber hinaus fordern BTE und HDS/L, die bestehende Ungleichbehandlung gegenüber Herstellern aus Drittstaaten, insbesondere bei Importen über asiatischen Online-Plattformen, abzuschaffen. Denn diese verursachen große Mengen an Verpackungsmüll in Deutschland, kämen aber nicht ihrer Herstellerverantwortung mit den entsprechenden (u.a. finanziellen) Verpflichtungen nach und könnten auch nicht sanktioniert werden. Die beiden Verbände fordern daher, dass Hersteller aus Drittstaaten endlich einen verpflichtbaren Bevollmächtigten benennen müssen.
